Safe Food: Wenn Essen Sicherheit und Ruhe schenkt

Warum manche Menschen nur bestimmte Dinge essen (oder in klar definierten Kombinationen) – und das absolut okay ist! Die Rede ist von sogenanntem Safe Food.

Kennst du das? Dein Kind (oder du selbst) isst seit Jahren nur ganz bestimmte Lebensmittel. Vielleicht ist die Auswahl eher klein. Oder sie essen eine Zeit lang bestimmte Lebensmittel und von heute auf morgen „gehen“ diese nicht mehr.

Wichtig ist auch die Anordnung auf dem Teller. Manche Menschen möchten sich unbedingt selbst die Speisen nehmen, so dass alles optimal auf dem Teller platziert ist. Kein Gemüse darf sich mit der Soße berühren. Und Pommes mit Soße gehen gar nicht. Die Menge an Soße ist kriegsentscheidend, und es darf weder zu viel oder zu wenig sein.

Brot ist nur „akzeptabel“, wenn es exakt die richtige Kruste hat und von der richtigen Sorte ist. Oder vielleicht muss die Kruste unbedingt abgeschnitten werden – auch bei einem Toastbrot. Und wehe, die Konsistenz von etwas ist „komisch“ – dann ist der Appetit sofort weg.

Für Außenstehende wirkt das oft wählerisch, schwierig oder sogar „unnormal“. Doch für viele hochsensible oder Menschen mit autistischen Facetten ist diese Einschränkung beim Essen kein Spleen – sondern ein wichtiger Schutzmechanismus.

Warum sind manche Menschen wählerisch beim Essen?

Was ist „Safe Food“?

„Safe Foods“ sind bestimmte Lebensmittel, die:

  • immer gleich schmecken und sich gleich anfühlen
  • keine unangenehmen Überraschungen bereithalten (weder geschmacklich noch sensorisch)
  • mit positiven Gefühlen, Sicherheit oder Ritualen verknüpft sind
  • helfen Reizüberflutung zu reduzieren

Besonders bei hochsensiblen, hochwahrnehmenden Menschen oder Menschen im autistischen Spektrum spielt dieses Thema eine große Rolle. Ihr Nervensystem reagiert deutlich sensibler auf sensorische Reize – auch oder ganz besonders auf Essen.

Der Körper sehnt sich nach Verlässlichkeit – und findet diese oft auf dem Teller oder im Glas.

Bei Kindern kommt das besonders häufig vor

Kinder mit einer sensiblen Wahrnehmung, ausgeprägter innerer Welt spüren sehr genau, was ihnen guttut und was nicht. Oder was es braucht, um sich in Ruhe sicher zu fühlen. Auch beim Essen.

Das äußert sich zum Beispiel so:
„Das fühlt sich komisch an im Mund!“
„Ich mag das nicht, es riecht zu stark!“
„Ich will nur „mein“ Müsli!“

… und dehnt sich in vielerlei weiteren Facetten aus.

Diese Aussagen sind keine Trotzreaktionen, kein Wunsch nach Aufmerksamkeit oder eine Forderung nach „Extrawürsten“, sondern Ausdruck von Reizverarbeitung, Selbstschutz und dem Wunsch nach Kontrolle und Sicherheit.

Auch viele Kinder mit autistischen Anteilen erleben das Essen als Herausforderung – zu viele unbekannte Komponenten, unberechenbare Konsistenzen, sensorische Überlastung (und das, wo sie schon den ganzen Tag an oder über ihre Grenzen gehen und mit Maskieren beschäftigt sind).

Safe Food ist mehr als nur Geschmack

Essen kann neurodivergente oder hochsensible Menschen überfordern:

  • Konsistenzen (zu schleimig, zu hart, zu krümelig)
  • Geschmacksintensität (zu würzig, zu bitter)
  • Temperatur (zu heiß oder zu kalt)
  • Geruch (zu stark oder zu fremd)
  • Soziale Reize (Geräusche, Gespräche, Erwartungen)

Safe Foods helfen dabei, den inneren Reizzustand zu regulieren – so wie andere sich mit Musik oder Rückzug beruhigen, brauchen manche genau das richtige Essen, um sich sicher zu fühlen.

Hochsensible Menschen achten auf mehr als "nur" Geschmack beim Essen.

Aus dem Alltag oder Probleme, die keiner braucht

Leider erleben Kinder und Eltern in den Kitas und Schulen zu oft, dass von den Kindern erwartet wird, dass sie alles „probieren müssen“. Dieser Zwang hat tatsächlich schon oft dazu geführt, dass

  • Kinder, nachdem sie Grießbrei (oder sensorisch ähnlich schwieriges) essen mussten vom Kindergarten abgeholt werden mussten, weil sie gespuckt haben (nur wegen der Konsistenz und nicht wegen eines Infekts)
  • Eltern zu Konfliktgesprächen in die Schule kommen mussten, da sich die Kinder weigerten alles zu probieren und durch den Zwang begonnen die Schule zu verweigern

Leider gibt es noch viel mehr unschöne Storys, die ich von anderen Eltern höre, und das nur, weil ihre Kinder in ihrem So-sein nicht verstanden werden. Das muss nicht sein!

Was hilft?

  • Vertrauen schenken: Das Kind (oder du selbst) weiß, was gerade guttut – auch wenn es nicht „ausgewogen“ erscheint.
  • Safe Foods akzeptieren: Auch wenn es täglich dieselbe Nudelsorte ohne Soße ist – das darf sein.
  • Langsam erweitern: Angebote statt Zwang. Interesse statt Kontrolle.
    (Tipp: „Einladen“ etwas zu probieren hilft. Vor allem auf die Formulierung kommt es an.)
  • Gemeinsam reflektieren: „Was macht dieses Essen so angenehm?“
  • Sicherheit im Alltag schaffen: Wenn die Welt zu viel wird, gibt vertrautes Essen Halt.
    (Allgemein für Sicherheit, Ruhe und Entspannung sorgen. Was braucht es hierfür?)

Hab immer eine ausreichende Menge an Safe Food zuhause parat und vergiss diese nicht bei Ausflügen oder auf Reisen!

Fazit

Essen ist bei neurodivergenten oder hochsensiblen Menschen nicht nur Ernährung – sondern Regulation, Sicherheit und manchmal, so komisch es für Außenstehende erst einmal klingen mag, Überlebensstrategie.

Für viele ist das Lieblingsessen nicht nur Genuss, sondern ein stabilisierender Anker in einer überfordernden Welt.

Was von außen wie „wählerisch“ aussieht, ist oft ein tiefes Bedürfnis nach Reizschutz, Klarheit und Selbstbestimmung.

Und genau das dürfen wir ernst nehmen – liebevoll und ohne Scham. 💛

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