Hochbegabung vs. Höchstbegabung: Wo liegt der Unterschied?

Jeden Tag begegne ich hochbegabten und höchstbegabten Menschen, sowohl bei den IQ Tests, als auch im Rahmen meines Coachings und Mentorings. Immer wieder sage ich, dass man hochbegabte Menschen deutlich erkennt (wenn man selbst hochbegabt ist), was vermutlich an den „ähnlichen Vibes“ liegen mag. Schon seit meiner Schulzeit habe ich alle Hochbegabten in meinem Umfeld „eingesammelt“ und in meinen Freundeskreis aufgenommen. 😉

Seit ich mich nun täglich mit den Themen und Menschen beschäftige, bemerke im Austausch sehr schnell, ob jemand hochbegabt sein könnte, ob jemand einen IQ von > 140 haben könnte, oder sogar im Bereich der Höchstbegabung liegen könnte. Die Gespräche gestalten sich ab ca. einem IQ von 148 und mehr nochmal deutlich anders. 

Gerne werde ich bei dieser Bemerkung überrascht angeschaut und gefragt, woran ich das meine zu erkennen. In diesem Blogbeitrag versuche ich Antworten darauf zu geben.

Meine Beobachtungen mit Höchstbegabten

Generell fühlt und gestaltet sich das Gespräch anders. Ich kann es nicht exakt in Worte fassen, doch sind es andere „Vibes“ und wir haben eine ganz andere Taktrate im Austausch. 

Bei den IQ Tests ahne ich bereits, wie der Test ausgehen wird, wenn ich sehe wie jemand beim ersten Untertest, dem Mosaiktest, die Würfel in die Hand nimmt, die Muster legt und dann wieder umbaut. Das klingt für einen Außenstehenden vielleicht komplett schräg, doch zeigt meine Erfahrung, dass ich bei meinen Beobachtungen richtig liege.

Bei den sprachlichen Untertests fallen die Formulierungen deutlich auf, und bei den Logikaufgaben bemerke ich wie diese Menschen nicht nur signifikant schneller, sondern auch anders denken bzw. einen ganz anderen Denkansatz haben. 

Um es nicht nur von meinen eigenen subjektiven Beobachtungen abhängig zu machen und tatsächlich in nachvollziehbare Worte fassen zu können, habe ich die Arbeiten großartiger Kolleginnen und Kollegen studiert und diese im nachfolgenden Teil mit einfließen lassen.

Was bedeutet es eigentlich, wenn jemand höchstbegabt ist? Und wie lässt sich das von einer „normalen“ Hochbegabung abgrenzen?

Diese Frage ist nicht nur für Pädagogen, Eltern und Psychologen relevant – sondern auch für alle, die sich selbst oder andere besser verstehen möchten. Wer sich mit Begabungsdiagnostik beschäftigt, stößt unweigerlich auf die Forschung von Christina Heil, die in ihrer Doktorarbeit an der Universität Hamburg das Thema differenziert beleuchtet.

Hochbegabung: Wenn Intelligenz überdurchschnittlich ist

Hochbegabung wird meist über den Intelligenzquotienten (IQ) definiert. Ab einem IQ von 130 sprechen Fachleute in der Regel von einer Hochbegabung. Solche Menschen zeigen oft:

  • ein schnelles und komplexes Denken,
  • eine hohe Problemlösekompetenz,
  • ein ausgeprägtes Interesse an neuen Themen,
  • und die Fähigkeit, Gelerntes schnell zu verknüpfen.

Doch Hochbegabung ist mehr als nur ein hoher IQ. Sie umfasst auch kreative, soziale und emotionale Aspekte und äußert sich bei jeder Person unterschiedlich.

Höchstbegabung: Noch ein Schritt weiter?

Doch was bedeutet Höchstbegabung? Christina Heil beschreibt in ihrer Forschung, dass Höchstbegabte, oft auch als „extrem Hochbegabte“ bezeichnet, IQ-Werte ab ca. 145 oder höher erreichen. Diese Menschen sind nicht nur „noch intelligenter“, sondern oft auch mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert. Heil zeigt auf:

  • Höchstbegabte sind deutlich seltener in der Bevölkerung (schätzungsweise 0,1 % oder weniger).
  • Sie neigen zu intensiverem Erleben, sowohl kognitiv als auch emotional.
  • Sie berichten häufiger von Gefühlen der Fremdheit oder Isolation.
  • Ihr Denken ist oft so vernetzt, dass es für andere schwer nachvollziehbar ist.

Ein zentrales Ergebnis von Heils Studien ist: Höchstbegabte sind nicht einfach „mehr von demselben“, sondern zeigen qualitative Unterschiede, die ihr Leben, ihre Bildungslaufbahn und ihre sozialen Beziehungen prägen.

Wichtige Erkenntnisse aus der Forschung von Christina Heil

Heils Arbeit liefert spannende Einblicke in die besonderen Merkmale und Bedürfnisse von Höchstbegabten. Sie betont:

  • Höchstbegabte benötigen andere Förderansätze als „normale“ Hochbegabte.
  • Die soziale Anpassung fällt ihnen oft schwerer, da ihre Interessen und Denkweisen stark von der Norm abweichen.
  • Viele Höchstbegabte leiden unter dem Gefühl, nicht dazuzugehören – was sie anfälliger für Selbstzweifel, Perfektionismus oder emotionale Probleme macht.
  • Ein bewusster, einfühlsamer Umgang mit diesen Unterschieden ist entscheidend – sowohl in der Schule als auch im Erwachsenenalter.

Kognitive Merkmale

MerkmalHochbegabungHöchstbegabung
DenkgeschwindigkeitSehr schnell; Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge rasch zu erfassen.Extrem schnell; Denken erfolgt oft in Sprüngen, mit simultaner Verarbeitung mehrerer Ebenen.
LernfähigkeitSchnelles Erfassen und Verarbeiten neuer Informationen; autodidaktisches Lernen.Intuitives Erfassen komplexer Systeme; Lernen erfolgt oft nicht linear, sondern durch Integration großer Informationsmengen.
GedächtnisGutes Gedächtnis für Fakten und Zusammenhänge.Außerordentliches Gedächtnis, oft mit Erinnerungen an Ereignisse vor dem dritten Lebensjahr.
DenkstilLogisch-analytisch; Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen.Non-lineares, vernetztes Denken; starkes Bedürfnis nach Präzision und dem Erkennen tieferer Muster.

Erlebensmerkmale

MerkmalHochbegabungHöchstbegabung
Emotionale Intensität

Intensive Gefühle; hohe Empathie; starke emotionale Reaktionen auf persönliche Erfahrungen.Tiefe emotionale Reaktionen auch auf abstrakte Konzepte; z. B. das Erleben von Zahlen oder Theorien als emotional berührend.
SensibilitätErhöhte Wahrnehmung von Reizen; z. B. Geräusche, Licht, Gerüche.Sehr hohe Sensibilität; kann zu Reizüberflutung führen; starke emotionale Resonanz auf Umweltreize.
Gefühl des AndersseinsHäufiges Empfinden, anders zu sein; Schwierigkeiten, Gleichgesinnte zu finden.Tiefgreifendes Gefühl der Isolation; oft verbunden mit dem Eindruck, von niemandem wirklich verstanden zu werden.
SinnsucheStarkes Bedürfnis nach Sinn und Bedeutung im Leben; Hinterfragen von Normen und Autoritäten.Existenzielle Fragen bereits in frühem Alter; intensive Auseinandersetzung mit fundamentalen Lebensfragen.

Soziale und Verhaltensmerkmale

MerkmalHochbegabungHöchstbegabung
Soziale InteraktionGute soziale Kompetenzen, aber gelegentlich Schwierigkeiten durch Ungeduld oder Perfektionismus.Schwierigkeiten, soziale Beziehungen aufzubauen; oft das Gefühl, nicht dazuzugehören oder missverstanden zu werden.
KommunikationFähigkeit, komplexe Gedanken zu artikulieren; manchmal als belehrend wahrgenommen.Schwierigkeiten, Gedanken in Worte zu fassen; oft das Gefühl, dass Sprache nicht ausreicht, um innere Prozesse zu beschreiben.
Berufliche HerausforderungenUnterforderung in Routineaufgaben; Bedürfnis nach intellektueller Stimulation.Tiefe Unzufriedenheit in traditionellen Arbeitsstrukturen; starkes Bedürfnis nach Autonomie und kreativer Freiheit.
PerfektionismusHohe Ansprüche an sich selbst; Angst vor Fehlern; Tendenz zur Selbstkritik.Übersteigerter Perfektionismus; kann zu Prokrastination führen, da die eigenen Standards kaum erreichbar sind.
Höchstbegabte haben oft Schwierigkeiten soziale Beziehungen aufzubauen.

Kreativität und Interessen

MerkmalHochbegabungHöchstbegabung
KreativitätHohe kreative Fähigkeiten; Interesse an Kunst, Musik, Literatur.Außergewöhnliche Kreativität; oft originelle und unkonventionelle Ideen; starkes Bedürfnis, Neues zu erschaffen.
InteressenBreites Interessensspektrum; Neugier auf viele Themenbereiche.Tiefes Eintauchen in spezifische Interessensgebiete; intensive Beschäftigung mit komplexen Themen.
LernmotivationIntrinsische Motivation; Freude am Lernen und Entdecken.Unstillbarer Wissensdurst; Lernen als existenzielles Bedürfnis; ständiges Streben nach Erkenntnis.
ArbeitsstilEffizient und zielorientiert; Fähigkeit, sich auf Aufgaben zu konzentrieren.Arbeiten in intensiven Phasen; können in einen Flow-Zustand geraten, bei dem Zeit und Umgebung ausgeblendet werden.

Diese Gegenüberstellung verdeutlicht, dass Höchstbegabung nicht nur eine Steigerung der Hochbegabung darstellt, sondern oft mit qualitativ anderen Erfahrungen und Herausforderungen einhergeht. Während Hochbegabte häufig gut in gesellschaftliche Strukturen integriert sind, erleben Höchstbegabte ihre Umwelt oft als wenig resonant auf ihre inneren Prozesse. Dies kann zu einem tiefen Gefühl der Isolation führen, das spezifische Unterstützung und Verständnis erfordert.

Für weitere Informationen und tiefere Einblicke empfehle ich die unfassbar guten und detaillierten Studien von Christina Heil:

Diese Arbeiten bieten umfassende qualitative Analysen und persönliche Erfahrungsberichte, die das Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse und Erlebenswelten hoch- und höchstbegabter Menschen vertiefen. – Danke für Dein Wirken!

Fazit

Der Unterschied zwischen Hochbegabung und Höchstbegabung liegt nicht nur im Zahlenwert des IQs, sondern vor allem in der Tiefe des Erlebens, der Denkweise, der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der sozialen Dynamik. Die Forschung von Christina Heil bietet hier wegweisende Impulse, die sowohl Fachleute als auch Betroffene bereichern können.

Möchtest Du mehr über Deine eigene Begabung erfahren oder lernen wie Du mit Deiner Superpower umgehen und freudvoll einsetzen kannst?

Lass uns darüber sprechen. Gemeinsam finden wir Wege, wie Hoch- und Höchstbegabung zu einem erfüllenden und freudvollen Leben beitragen können.

Quellen

Die strukturierte Gegenüberstellung der Erlebens- und Verhaltensmerkmale von Hochbegabung und Höchstbegabung, basiert auf den Studien von Christina Heil sowie weiteren Fachquellen:

Primärquellen: Studien von Christina Heil

Christina Heil (2021): „Studie zu hochbegabten Erwachsenen“
Downloadlink (PDF)

Christina Heil (2021): „Studie zu höchstbegabten Erwachsenen“
Downloadlink (PDF)

Ergänzende Literatur und Fachquellen
Stephanie S. Tolan: „The Deep Inner Experience of Giftedness“
Kazimierz Dabrowski: Theory of Positive Disintegration
Linda Silverman: Giftedness 101
Ulrich Müller / Detlef H. Rost (Hrsg.): Hochbegabung im Erwachsenenalter
Elaine Aron: The Highly Sensitive Person

Wünschst Du Dir noch mehr Impulse rund um Hochbegabung, Höchstbegabung, Hochsensibilität und weiteren wunderbaren Themen? Dann stöbere gerne weiter auf meinem Blog:  Hier geht’s zu allen Artikeln

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