Hochbegabt und ungesehen? Unsere (inneren) Kinder brauchen eine Stimme.
Ein Plädoyer für einen öffentlichen DIskurs.
Auch wenn wir keine Eltern sind und mit Kindern nicht viel am Hut haben, so kennt doch jeder von uns zumindest eines: sich selbst. Die Rede ist vom hochbegabten Kind. Manche von uns erinnern sich noch an das dumpfe Gefühl, nicht dazuzugehören. Als hochbegabte Kinder standen wir oft im Spannungsfeld zwischen unserer intensiven Neugier, unserer großen Phantasie und den Erwartungen unserer Umwelt. Die Herausforderungen, die wir dabei meistern mussten, sind tief in uns verankert und begleiten uns oft ein Leben lang. Die wichtige Frage ist heute, wie können wir es den kommenden Generationen leichter machen, wie uns – wenn man diesem Konzept Glauben schenken möchte – mit dem eigenen inneren Kind versöhnen?
Dieser Artikel ist im August 2024 im Magazin “MinD” erschienen.
Das Aufwachsen mit Superpower
Seien wir ehrlich. Die wenigsten von uns wussten schon als Kinder von ihrem hohen IQ. Kein Wunder, dass es vielen von uns schwerfiel, unsere Andersartigkeit als positive Eigenschaft zu akzeptieren, geschweige denn als Superkraft. Oft galten wir als altklug oder anstrengend, als zu anspruchsvoll oder zu kritisch. Unsere Eltern und Lehrer wussten oft nicht, wie sie mit unserem intensiven Wissensdurst oder unserer übergroßen Sensibilität umgehen sollten.
Psychosomatische Bauchschmerzen oder Schulverweigerung waren und sind auch heute noch bei vielen hochbegabten Kindern die Folge.
Während unsere Altersgenossen sich mit oberflächlichen Dingen beschäftigten, suchten wir nach tiefgründigen und bedeutungsvollen Gesprächen und Aktivitäten. Diese Diskrepanz führte oft dazu, dass wir uns zurückzogen oder versuchten, uns mit aller Macht anzupassen, um nicht aufzufallen. Die Konsequenz: innere Konflikte und ein Gefühl der Unzulänglichkeit.
Schulzeit – schwere Zeit
Die Schulzeit war und ist für viele Hochbegabte eine besonders schwierige Zeit. Denn unser ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und unser Bedürfnis nach Sinn stehen in starkem Widerspruch zum konventionellen Schulalltag. Anpassung und Konformität werden auch heute noch in der Schule gefordert, dem Wunsch nach Individualität und tieferem Verständnis wird auch heute noch kaum Rechnung getragen. Besonders schwierig war es für diejenigen von uns, die nicht das Glück hatten, auf Lehrer zu treffen, die unsere Fähigkeiten und Bedürfnisse erkannten und förderten, sondern stattdessen auf Unverständnis und Ablehnung stießen. Fragen wurden als störend empfunden, Wissensdurst als Arroganz interpretiert. Diese ständigen Frustrationen erleben unsere Kinder bis heute.
Sie hinterlassen Spuren im Selbstbewusstsein und in unserer Motivation und führen nicht selten zu Rückzug oder Rebellion – und darüber hinaus zu einem enormen Leidensdruck in den betroffenen Familien.
Viele von uns kämpfen noch als Erwachsene mit den Folgen einer unverstandenen Kindheit. Prokrastination, geringes Selbstwertgefühl und das Gefühl, das eigene Potenzial nicht voll ausschöpfen zu können, sind häufige Begleiter. Es ist wichtig, diese Zusammenhänge zu erkennen und an ihrer Überwindung zu arbeiten. Vielleicht noch wichtiger ist es aber, unseren Kindern, die heute in der gleichen Situation sind, die Unterstützung zu geben, die wir damals nicht hatten.
Gemeinsam stark – Unterstützung durch Mensa
Auch wenn es den oft immensen Leidensdruck der betroffenen Familien nicht löst, ist es wichtig zu wissen, nicht alleine zu sein. Mensa bietet eine Plattform zur Vernetzung, zum Austausch und zur gegenseitigen Unterstützung. Eltern hochbegabter Kinder finden hier wertvolle Hilfe und Beratung. Die Vernetzung mit Gleichgesinnten und der Erfahrungsaustausch können helfen, Probleme, die oft mit Scham besetzt sind, offen anzusprechen und Lösungen zu finden. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass unsere Kinder nicht die gleichen negativen Erfahrungen machen müssen wie wir. Durch Stammtische, Netzwerktreffen und spezielle Programme für Kinder und Jugendliche bietet Mensa einen Raum, in dem wir uns frei austauschen und gegenseitig stärken können. Dieser Austausch ist unbezahlbar, denn er hilft uns auch, unsere eigenen Erfahrungen zu reflektieren und daraus zu lernen.
Fazit – Liebe und Nachsicht als Schlüssel
Unsere hochbegabten Kinder brauchen vor allem eines: Liebe und Nachsicht. Sie müssen so angenommen und gefördert werden, wie sie sind.
Es ist unsere Verantwortung, ihnen zu helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten
und dabei ihre einzigartige Persönlichkeit zu bewahren. Indem wir uns alle für hochbegabte Kinder einsetzen, arbeiten wir auch an der Heilung unseres eigenen inneren Kindes. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass hochbegabte Kinder die Unterstützung und Wertschätzung erhalten, die sie brauchen, um zu glücklichen und erfüllten Erwachsenen heranzuwachsen. Und lassen Sie uns darüber in der Öffentlichkeit sprechen – denn unsere Kinder brauchen eine Stimme.